Talente 2010

 

Sonderschau Talente auf der Internationalen Handwerksmesse München 2010

3. März bis 9. März 2010

 

Die Sonderschau „Talente" präsentiert auch in diesem Jahr Arbeiten junger Kunsthandwerker, Designer und Handwerker aus allen Teilen der Welt. Gezeigt werden Arbeiten aus zwölf unterschiedlichen Gewerken. Zu danken ist wieder der Vielzahl von Mentoren - Kontaktpersonen verschiedener Institutionen - für die Empfehlung und Vermittlung junger Gestalter. "Talente" ist ein wichtiges Forum, auf dem die Studenten und Absolventen der Schulen aus allen Teilen der Welt ihre Arbeiten einem großen internationalen Publikum präsentieren können.

 

Dieses Jahr gingen mehr als 400 Bewerbungen aus 28 Ländern für die Ausstellung "Talente" ein. Von den jungen Gestaltern wurden 99 aus 24 Ländern ausgewählt, um ihre Arbeiten in München auf der Internationalen Handwerksmesse im Rahmen der von der Handwerkskammer für München und Oberbayern organisierten Sonderschau zu zeigen. Präsentiert werden Arbeiten aus Australien, Belgien, China, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Israel, Italien, Japan, Kanada, Neuseeland, den Niederlanden, Russland, Schweden, der Schweiz, der Slowakei, Spanien, Südkorea, Taiwan, der Tschechischen Republik, der Türkei, Ungarn und den USA.

 

In diesem Jahr stammte ein hoher Anteil der Bewerbungen aus dem Bereich Schmuck. Dieser Andrang von Schmuckgestaltern auch bei "Talente" unterstreicht Münchens Bedeutung als Schmuckstadt und das hohe Ansehen der Internationalen Handwerksmesse als Ausstellungsort für avantgardistischen Schmuck. "Talente" wird schon seit langer Zeit als Einstieg für Schmuckgestalter zu der allein dem Schmuck gewidmeten und ebenfalls von der Handwerkskammer für München und Oberbayern organisierten Sonderschau "Schmuck 2010" auf der Handwerksmesse betrachtet.

 

Talente 2010
Junghun Kang (Südkorea), Brosche ¿Face", Eisen, Acryl und Faden
Talente 2010
Laure Gonthier (Schweiz), ¿Black hiatus", Keramik
Junghun Kang (Südkorea), Brosche „Face", Eisen, Acryl und FadenLaure Gonthier (Schweiz), „Black hiatus", Keramik

 

In Anbetracht der Sonderschau "Exempla", die sich 2010 dem Thema „Keramik" widmet, kam in diesem Jahr auch besondere Aufmerksamkeit der Auswahl der keramischen Arbeiten zu. Es ist das Bestreben, bei „Talente" ergänzend Positionen von jungen Keramikern zu zeigen.

 

Auch in diesem Jahr ließ sich bei den eingereichten Arbeiten eine Fülle von Themenbereichen erkennen, die die Gestalter beschäftigen und in ihrer Arbeit inspirieren.

Das Sammeln von Fundstücken nimmt einen großen Stellenwert ein. Dabei werden diese Fundstücke als Zeugnisse der Vergangenheit oder der zeitgenössischen Kultur exemplarisch befragt. Sie dienen als visuelle Grundlage für eine innere Auseinandersetzung mit der eigenen oder der politischen Vergangenheit, mit den Problemen der eigenen Gegenwart.

Eng verbunden sind hiermit zwei weitere Themenbereiche - das Interesse für tradierte Techniken, die oftmals aus dem geographischen Umfeld der Gestalter stammen, und die Erinnerung.

 

Talente 2010
Alba Pont (Spanien), Brosche ¿From deep end", Holz, Silber, Stahl
Susanne Forsström (Schweden), Brosche
Susanne Forsström (Schweden), Brosche "Longing Beyond", Silber, Kupfer, Email, Gummi
 
Alba Pont (Spanien), Brosche „From deep end", Holz, Silber, Stahl Susanne Forsström (Schweden), Brosche "Longing Beyond", Silber, Kupfer, Email, Gummi

 

Tradition und Erinnerung werden in Material und Motivwahl evoziert. Beide Aspekte verweisen auf die Suche nach Ursprüngen, nach Sicherheit, auf das Wissen um Verlust. Die Suche nach Verortung kontrastiert mit den Lebensläufen der jungen Gestalter. Diese haben auf der Suche nach der ihren Bedürfnissen entsprechenden besten Ausbildung zumeist unterschiedliche Schulen in verschiedenen Ländern oder gar Kontinenten besucht. 

Gerne wird das Thema der Kindheit aufgegriffen - die Erinnerung an eine intakte, familiär, oft auch ländlich bestimmte Existenz, an lokale Sitten, Gebräuche und einheimische Mythenstoffe. Dieses wird auch in solchen Arbeiten deutlich, die sich mit dem zeitgenössischen Leben beschäftigen, sei es das Leben in der Großstadt, sei es der Computer. Es erfolgt eine Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten des Internets und der damit verbundenen zunehmenden Öffentlichkeit des Lebens, der der Wunsch nach Privatheit gegenübergestellt wird. Durch die gestalterische Tätigkeit wird versucht, diese konträren Positionen des Alltags zu harmonisieren. Zum Beispiel reflektieren die Möbel den Wunsch nach Privatheit und Wohnlichkeit. Das Gefühl der Unruhe, das sich in der Flexibilität, dem Variationsreichtum, der Veränderung, dem leichten Auf- und Abbau spiegelt, soll mit demjenigen der „Gemütlichkeit" vereint werden, ohne provisorisch oder behäbig zu wirken.

 

Maria Koshenkova (Russland/Dänemark),
Maria Koshenkova (Russland/Dänemark), "TH Objects", Glas
 
Thomas Egger (Italien), Armlehnsystem
Thomas Egger (Italien), Armlehnsystem "addit!on Lesesessel", Eisenrohre, gepolstert und geschweißt
Maria Koshenkova (Russland/Dänemark), "TH Objects", GlasThomas Egger (Italien), Armlehnsystem "addit!on Lesesessel", Eisenrohre, gepolstert und geschweißt

 

Der Suche nach Sicherheit und Wurzeln verbunden ist das auffällige Interesse für alte handwerkliche Techniken, die zunehmend vom Vergessen bedroht sind. Sie werden aufgegriffen und in neue Zusammenhänge überführt - also für die Gegenwart nutzbar gemacht. Gebunden an die Verwendung textiler Techniken oder Motive - sei es Häkeln oder Spitze - erscheint oft das Thema Weiblichkeit, das in Hinblick auf Körper- und Selbstbild, auf soziale und kulturelle Vorstellungen untersucht wird.

 

Carina Chitsaz-Shoshtary (Deutschland), Halsschmuck, Klöppelspitze, Lein, Kaffee, Silber
Carina Chitsaz-Shoshtary (Deutschland), Halsschmuck, Klöppelspitze, Lein, Kaffee, Silber
Sandra Schmedemann (Deutschland), Gefäßobjekte, Porzellan, gedreht und gegossen
Sandra Schmedemann (Deutschland), Gefäßobjekte, Porzellan, gedreht und gegossen
 
Carina Chitsaz-Shoshtary (Deutschland), Halsschmuck, Klöppelspitze, Lein, Kaffee, SilberSandra Schmedemann (Deutschland), Gefäßobjekte, Porzellan, gedreht und gegossen

 

Darüberhinaus fällt das große Interesse für das Material auf, in dem gearbeitet wird. Die Möglichkeiten der Bearbeitung werden erkundet, farbliche und haptische Reize ausgekostet. Die Formen sind dabei oftmals zurückhaltend, so dass die Oberfläche voll zur Geltung kommt und sich der ganze Reiz des Materials und seiner kompetenten Verarbeitung entfalten kann. Diese Objekte strahlen eine elegante Zeitlosigkeit aus und bilden eine Art Gegenposition zu der besonders im Bereich des Schmucks feststellbaren spielerischen oder kritischen Experimentierfreude.

 

Young-I Kim (Südkorea / Deutschland), Schale,  Kupfer, emailliert, geschwärzt
Young-I Kim (Südkorea / Deutschland), Schale, Kupfer, emailliert, geschwärzt
Talente 2010
Jung Hong Park (Südkorea), Gefäß ¿To zero", Porzellan
 Young-I Kim (Südkorea / Deutschland), Schale, Kupfer, emailliert, geschwärztJung Hong Park (Südkorea), Gefäß „To zero", Porzellan

 

Die Beschäftigung mit traditionellen Herstellungsverfahren entspricht einem weiteren Schwerpunkt -dem Interesse der Designer für das Handwerk. Dieses hat sich in der letzten Zeit immer stärker als ein aktuelles Thema herauskristallisiert, das noch einer gründlichen Diskussion und Erkundung harrt. Es prägt nicht nur die Arbeiten der jungen Gestalter, sondern auch diejenigen der etablierten Designer. Einige Designprodukte haben diesen Rückgriff auf das Handwerk bereits vorgestellt - sei es durch die Fertigung, die z.T. nun handwerklich und nicht rein industriell erfolgt, oder durch die handwerkliche Nachbereitung und Verfeinerung - gleichsam im Sinne einer Individualisierung - durch den Käufer/Nutzer. Hiermit scheint zugleich eine Kritik am Design der letzten Jahre zu erfolgen, das vielleicht als zu glatt, zu allgemein, zu abgehoben, zu wenig individuell erachtet wird. Das Handwerk wiederum kann das Bedürfnis nach Sinnlichkeit, einem Erfahren des Materials und das Anpassen eines Produkts an seinen Käufer/Nutzer eher gewährleisten. Überspitzt könnte vermutet werden, dass sich hier eine zweite industrielle Revolution andeutet, die nun eher als Versuch einer Harmonisierung von Industrie und Handwerk zu verstehen ist. Dieses ist als eine interessante Chance für das Handwerk zu begreifen.
 

Der stärkere Rückbezug auf das Handwerk und das Interesse für handwerkliche Verfahren der Vergangenheit sind der zunehmenden Forderung nach Nachhaltigkeit im Umgang mit Ressourcen verbunden. Hierzu zählt nicht nur der bewusste Umgang mit Materialien, sondern auch das Interesse an der Natur und ihrer Schönheit. Die Natur gilt als Ort des verlorenen Intakten. Durch die Kombination von Motiv und Materialien wird der Versuch einer Verbindung von Naturschönheit und moderner Gegenwart mit ihrer Technik unternommen. Blumen werden aus naturfernen Materialien künstlich kreiert und mit Elementen der Gegenwart wie Leuchteffekten kombiniert.

Talente 2010
Jihye Lee (Südkorea), Brosche ¿Sublety", Kunstharz, Plastik, Ton, Silber
 
Lisa Juen (Deutschland/China), Kette ¿Do you have a map, caus I'm lost in your eyes
Lisa Juen (Deutschland/China), Kette ¿Do you have a map, caus I'm lost in your eyes", Stahl, künstliche Fingernägel, Spraypaint, LED, LED Screen, Perlen, Glas, Plastik, Schalter
 
Jihye Lee (Südkorea), Brosche „Sublety", Kunstharz, Plastik, Ton, Silber Lisa Juen (Deutschland/China), Kette „Do you have a map, caus I'm lost in your eyes", Stahl, künstliche Fingernägel, Spraypaint, LED, LED Screen, Perlen, Glas, Plastik, Schalter

 

Eine interessante Mischung aus Sammeln und Materialinteresse ist im Schmuck zu finden, wo zum Teil große, fast archaisch anmutende Ketten entstehen. Metalle werden einem künstlichen Altersprozess unterzogen, der sie wie archäologische Fundstücke wirken lässt, oder verschiedene Materialien werden zu riesigen Gebinden kombiniert, in denen die einzelnen Objekte und Stoffe in einen spannenden Dialog treten. Gerne werden Holzelemente oder die Natur evozierende Motive eingebunden. Die Fertigungsspuren bleiben sichtbar und werden als ästhetisches Merkmal einbezogen. Diese Arbeiten dokumentieren zugleich die Freude am Improvisieren und am Experiment, das auch Gestalter in anderen Bereichen anregt, das Interesse am gestalterischen Prozess selbst.

 

Adam Grinovich (USA / Schweden), Halsschmuck
Adam Grinovich (USA / Schweden), Halsschmuck "Slave and the matriarch", Leder, Teer, Eisen, Email
 
Tobias Alm (Schweden), Halsschmuck, Schaum, Klebeband, Holz, Nylon
Tobias Alm (Schweden), Halsschmuck, Schaum, Klebeband, Holz, Nylon
Taru Kauris (Finnland), Kette, Kupfer, galvanisiert
Taru Kauris (Finnland), Kette, Kupfer, galvanisiert
Adam Grinovich (USA / Schweden), Halsschmuck "Slave and the matriarch", Leder, Teer, Eisen, EmailTobias Alm (Schweden), Halsschmuck, Schaum, Klebeband, Holz, Nylon Taru Kauris (Finnland), Kette, Kupfer,  galvanisiert

 

Nachwievor ist auch Recyceln ein aktuelles Thema der jungen Gestalter, das die immer größere Bedeutung des Umweltschutzes reflektiert. Unnütz gewordene Materialien und Gegenstände werden gesammelt und transformiert. Dabei müssen diese nicht unbedingt einen Fundstückcharakter behalten, sondern können gänzlich verwandelt werden, so dass von der ursprünglichen Funktion kaum etwas erkennbar bleibt. Im Zentrum stehen die innovative Wiedernutzung von Materialien und der ästhetische Reiz dieser Stoffe in ungewöhnlichen Zusammenhängen. Eine ganz neue Werkstoffgruppe wird entdeckt; das industriell Gefertigte wird nun handwerklich verarbeitet und neu gestaltet.

Talente 2010
Jacqui Chan (Neuseeland/Australien), Brosche ¿Vanilla Blossom", Blech, Silber, Edelstahl
Àdám Juhász (Ungarn), Lampen, Polypropylen
Àdám Juhász (Ungarn), Lampen, Polypropylen
Jacqui Chan (Neuseeland/Australien), Brosche „Vanilla Blossom", Blech, Silber, EdelstahlÀdám Juhász (Ungarn), Lampen, Polypropylen 

 

Dieses Jahr ist eine besondere Gruppe von Arbeiten vertreten, die sich dem Licht widmen. Auffallend viele Bewerber haben sich für dieses Thema interessiert und auf phantasievolle Weise in unterschiedlichen Materialien gestaltet. Besonders interessierte die Veränderung der Lampe durch das Licht - eine Lampe also, die ihre Wirkung nach Tageszeit und Gebrauch verändert und damit das Licht zur Inszenierung nutzt: Musterungen werden durch das Licht sichtbar, Schatten entstehen, Formen verändern sich.

 

Alice Gruhle (Deutschland), Lampe ¿Polymorph
Alice Gruhle (Deutschland), Lampe ¿Polymorph", Polypropylen, CNC
Valentin Vodev (Bulgarien/Großbritannien), ¿Biquattro
Valentin Vodev (Bulgarien/Großbritannien), ¿Biquattro", Aluminium, Plastik, Gummi, Textil
Alice Gruhle (Deutschland), Lampe „Polymorph", Polypropylen, CNCValentin Vodev (Bulgarien/Großbritannien), „Biquattro", Aluminium, Plastik, Gummi, Textil

 

In diesem Jahr widmen sich wieder viele der technischen Beiträge bei „Talente" neuen Möglichkeiten der Fortbewegung - sei es auf dem Wasser und dem Lande. Besondere Aufmerksamkeit gilt zudem der Erleichterung des Lebens im städtischen Alltag, auch angesichts der neuen örtlichen Flexibilität. Daneben wird auch in diesem Jahr deutlich, wie eng die Ausnutzung technischer Prozesse und die Erfindung neuer Verfahren mit der Entwicklung neuer Formen und Oberflächengestaltungen verbunden ist.

Der Wettbewerb wird im Auftrag des Vereins zur Förderung des Handwerks e. V. von der Handwerkskammer für München und Oberbayern ausgerichtet. Eine internationale Jury vergibt die "Talente"-Preise, die am Samstag, den 6. März 2010 auf der Bühne der Halle A1 verliehen werden. Ein Katalog, der alle Teilnehmer vorstellt, erscheint zur Ausstellung.

 

Text und Organisation: Dr. Michaela Braesel, Leitung: Wolfgang Lösche