Peteranderl: "Hohe Kosten und die Nachfrageschwäche in der Bauwirtschaft drücken auf die Gesamtbilanz"
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Konjunktur PK Mai 2023
Handwerk mit realen Umsatzeinbußen im 1. QuartalPeteranderl: "Hohe Kosten und die Nachfrageschwäche in der Bauwirtschaft drücken auf die Gesamtbilanz"
4. Mai 2023
„Wir sind noch nicht über den Berg“, kommentiert Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstages (BHT), die Entwicklung der Handwerkskonjunktur im 1. Quartal. Die Betriebe im Freistaat musste in den ersten drei Monaten des Jahres reale Umsatzeinbußen hinnehmen. Die Gründe waren hohe (Energie-)Kosten und die Nachfrageschwäche vor allem in der Bauwirtschaft.
42 Prozent der befragten bayerischen Handwerksbetriebe meldeten für das 1. Quartal eine gute und weitere 43 Prozent eine befriedigende Geschäftslage. Dies entspricht in Summe einem Zuwachs von 3 Punkten gegenüber dem Vorjahresquartal. Während das Bauhauptgewerbe einen Stimmungsdämpfer (-6 Punkte) verzeichnen musste, haben sich das Kfz-Handwerk (+18 Punkte) und die verbrauchernahen Dienstleister (+14 Punkte) gegenüber dem pandemiegeprägten Vorjahresquartal deutlich erholt. Bei der Auftragslage gab es einen gewerkübergreifenden Rückgang: 18 Prozent der befragten Betriebe verzeichneten steigende Eingänge, das sind 6 Punkte weniger als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. 30 Prozent meldeten einen Rückgang bei den Ordern (+4 Punkte). Vor allem im Bauhauptgewerbe als auch im Ausbauhandwerk drehte der Indikator deutlich ins Minus.
Nachdem Beschaffungsprobleme bei Rohstoffen und Vorprodukten die Betriebe im letzten Jahr oftmals vor große Herausforderungen gestellt hatten, entspannte sich die Situation im Berichtszeitraum etwas. Die durchschnittliche Betriebsauslastung im bayerischen Handwerk betrug im 1. Quartal 79 Prozent, 1 Punkt mehr als vor einem Jahr. Einen größeren Zuwachs verzeichneten das Kfz-Handwerk (+4 Punkte) und die verbrauchernahen Dienstleister (+5 Punkte). Die verbesserte Rohstoffversorgung in Kombination mit rückläufigen Auftragseingängen wirkte sich im 1. Quartal negativ auf die Auftragsbestände aus: Im Durchschnitt hatten Bayerns Handwerksbetriebe im Berichtszeitraum noch Arbeit für 10,0 Wochen in ihren Büchern. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Rückgang um 0,5 Wochen. Gerade im Baubereich bilden diese Auftragsbestände ein äußerst wichtiges Polster, um den gegenwärtigen Nachfragerückgang abfedern zu können.
Die Investitionstätigkeit zeigte sich im 1. Quartal robust: Der Anteil investierender Handwerksbetriebe im Freistaat lag konstant bei 38 Prozent. Nachdem vor Jahresfrist noch 88 Prozent der Befragten steigende Einkaufspreise vermeldeten, waren es Ende März noch 71 Prozent. Auch bei den eigenen Preiserhöhungen zeigten sich die Betriebe zurückhaltender: Vor einem Jahr hatten zu diesem Zeitpunkt 60 Prozent die Preise erhöht, nun waren es noch 47 Prozent. Dies dürfte allerdings auch damit zusammenhängen, dass die schwache konjunkturelle Entwicklung den Unternehmen weniger Spielraum dafür ließ. Nach ersten Schätzungen lag die Preissteigerungsrate im bayerischen Handwerk im 1. Quartal bei rund 10 Prozent.
Es fehlen Fachkräfte
Die hohen Kostensteigerungen waren der Hauptgrund dafür, dass die Umsätze im Berichtszeitraum stark nach oben schnellten. Peteranderl: „Wir gehen davon aus, dass im bayerischen Handwerk bis Ende März rund 31 Milliarden Euro umgesetzt wurden. Nominal entspricht dies einem Plus von 7 Prozent. Nach Abzug der Preissteigerung dürfte allerdings ein deutliches Minus von 3 Prozent stehen.“ Die Kombination aus hohen Kosten und schwacher Konjunktur ist Gift für den Arbeitsmarkt. Zusätzlich scheitert ein Aufbau der Belegschaft oftmals an fehlenden Fachkräften. Die Beschäftigungsentwicklung im Handwerk zeigte daher auch im 1. Quartal nach unten. 10 Prozent der Befragten konnten ihre Belegschaft aufstocken. Das ist keine Veränderung im Vergleich zum Vorjahr. Dagegen mussten 18 Prozent mit weniger Personal auskommen (-1 Punkt). Nach ersten Schätzungen waren Ende März etwa 941.200 Personen in Bayerns Handwerksbetrieben tätig. Binnen Jahresfrist entspricht dies einem Rückgang von 0,7 Prozent. Die Zahl der Handwerksbetriebe in Bayern lag Ende März bei 210.500 und damit auf Vorjahresniveau.
„Kosten- und Preissteigerungen werden Bayerns Handwerksbetriebe das ganze Jahr über stark beschäftigen. Wir hoffen, dass Lohnerhöhungen die sinkende Kaufkraft zu einem Teil abfedern und die Verbraucher wieder mehr Geld ausgeben“, betont der BHT-Präsident. Insgesamt erwarten 85 Prozent der Befragten im bayerischen Handwerk eine bessere oder zumindest gleichbleibende Geschäftsentwicklung bis zur Jahresmitte. Das sind 5 Punkte mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. „Bei gutem Verlauf ist für das bayerische Handwerk ein nominales Umsatzwachstum von 6 Prozent drin“, schätzt Peteranderl: „Da dieses Plus aber höchstwahrscheinlich nur durch die Preise getrieben wird, rechnen wir unterm Strich mit einem realen Minus von bis zu zwei Prozent. Bei der Beschäftigung ist zu befürchten, dass sie 2023 das dritte Jahr in Folge zurückgehen wird.“
Um ihren Personalbedarf zu decken, sind auch Bayerns Handwerksbetriebe immer stärker auf die Erwerbsmigration angewiesen. „Der Fokus muss auf eine mittelstandsorientierte Fachkräfteeinwanderung gelegt werden“, fordert Peteranderl: „Unsere Firmen tun sich erfahrungsgemäß schwer mit den komplexen rechtlichen Rahmenbedingungen der Zuwanderung. Der gesamte Prozess muss entbürokratisiert und das Verwaltungsverfahren beschleunigt werden.“
Mit Blick auf den großen Fachkräftebedarf seien die Pläne zur „Familienstartzeit“ kontraproduktiv, so Peteranderl. Im Interesse von Betrieben und Beschäftigten gelte es Konzepte zu entwickeln, mit denen die Vollzeiterwerbstätigkeit erhöht werden kann. Kritisch sehe man auch die vorgesehene Finanzierung über das Umlageverfahren. „In Zeiten, in denen die Kosten in allen Unternehmen steigen und die Erträge schrumpfen, sollte die Politik über Entlastungen für Firmen nachdenken, anstatt sie zusätzlich zu belasten“, betont der BHT-Präsident. Das bayerische Handwerk braucht in den nächsten Jahren Nachfolgerinnen und Nachfolger für rund 22.000 Unternehmen. Peteranderl: „Die Bürokratie schreckt jedoch viele potenzielle Unternehmer ab und bringt auch Gründer neuer Betriebe ins Grübeln. Hier muss die Politik endlich mal auf die Bürokratiebremse treten!“
Wenn die Bundesregierung eine generelle Pflicht zur elektronischen Aufzeichnung der Arbeitszeit erlässt, steigen neben der Bürokratie auch die Kosten für die Einführung. Diese dürften deutlich über den prognostizierten 450 Euro pro Betrieb liegen, da viele die erforderliche Technik erst anschaffen müssten. „Die Abläufe in Handwerksbetrieben variieren zu sehr, als dass eine taggenaue, elektronische Zeiterfassung für alle praktikabel und mit vertretbarem Aufwand umgesetzt werden könnte. Natürlich muss korrekt erfasst werden, wer wann und wie lange gearbeitet hat. Die Form sollte aber weiterhin frei bestimmbar sein“, betont der BHT-Präsident.
Ermutigende Ausbildungszahlen
BHT-Hauptgeschäftsführer Dr. Frank Hüpers berichtet vom „Tag des Handwerks“, der seit diesem Schuljahr für alle allgemeinbildenden weiterführenden Schulen in Bayern verpflichtend ist: „Wir haben mit Auszubildenden und Betrieben bereits Schulen besucht, diese wiederum waren mit ihren Schülerinnen und Schülern bei Innungen und in Bildungsstätten zu Gast. Wichtig ist vor allem, dass unsere Handwerksberufe möglichst praxisnah vorgestellt werden.“ Damit die Schulen Kontakte knüpfen können, wurde Anfang März die Vermittlungsplattform www.tagdeshandwerks-bayern.de freigeschaltet.
Die ersten Zahlen für das im September beginnende Ausbildungsjahr sehen bisher erfreulich aus: „Bis Ende April konnten im bayerischen Handwerk über 7.000 neue Lehrverträge abgeschlossen werden. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Plus von 4,5 Prozent. Daraus lässt sich natürlich noch kein Trend für das Gesamtjahr ableiten. Trotzdem sind diese Signale ermutigend“, so Hüpers.
Der BHT-Hauptgeschäftsführer lobte den Beschluss der Staatsregierung, Auszubildenden im Freistaat ab September das „Deutschland-Ticket“ für 29 Euro anzubieten: „Von einem günstigen und bundesweit gültigen Ticket geht auch ein wichtiges Signal für die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung aus. Es könnte dazu beitragen, dass sich künftig mehr Jugendliche für eine duale Berufsausbildung entscheiden. Damit das Azubi-Ticket aber auch außerhalb der Ballungszentren die erhoffte Wirkung erzielt, muss der ÖPNV zielgerichtet ausgebaut werden.“
Beitrag von Alexander Tauscher zur Handwerkskonjunktur: