Franz Xaver Peteranderl, Interview
Handwerkskammer für München und Oberbayern

Betriebe skeptisch für kommende MonatePeteranderl: "Hohe Energiepreise und drohende Gasknappheit bereiten Sorgen"

5. August 2022

Die hohen Energiepreise und drohende Gasknappheit beeinflussen auch die Konjunkturaussichten im Münchner und oberbayerischen Handwerk. Die aktuelle Lage stellt sich aber noch vergleichsweise gut dar: Ende Juni wurde sie von 88 Prozent der befragten Betriebe als gut oder befriedigend bewertet. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Plus von 2 Punkten. Ausschlaggebend waren Nachholeffekte nach der Pandemie und eine weiterhin intakte Auftragslage. „Von einer kräftigen Konjunkturerholung kann jedoch keine Rede sein. Vor allem das Bauhauptgewerbe als Wachstumslokomotive des Handwerks läuft nicht mehr unter Volldampf. Die starken Preissteigerungen und die steigenden Zinsen könnten die Baukonjunktur abwürgen“, betont Kammerpräsident Franz Xaver Peteranderl.

Gewerkübergreifend zeigte sich die Nachfrage im 2. Quartal 2022 noch relativ stabil. 25 Prozent der Betriebe im Kammerbezirk meldeten gestiegene und 51 Prozent konstante Auftragseingänge. Vor einem Jahr lagen diese Werte in Summe um 6 Prozentpunkte höher. Vor allem im Bau, Ausbau und bei den Industriezulieferern waren die Einschätzungen im Vergleich zum Vorjahr negativer. Trotzdem konnte die Betriebsauslastung im oberbayerischen Handwerk auf dem Vorjahreswert von durchschnittlich 80 Prozent gehalten werden. Die Auftragssituation führte in Kombination mit der durch Fachkräftemangel und Materialengpässe gedeckelten Auslastung zu einem leichten Anstieg der Auftragsbestände. Im Durchschnitt hatten die Betriebe im Kammerbezirk Ende Juni noch Aufträge für 10,2 Wochen in ihren Büchern – 0,2 Wochen mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. Alle in der Konjunkturumfrage erfassten Handwerksgruppen konnten im Berichtszeitraum ihre Orderreichweite erhöhen.

Wenig Bewegung auf dem Arbeitsmarkt

Die Mitte 2021 einsetzenden Preissteigerungen fanden auch im 2. Quartal kein Ende. Eine Entspannung ist weiterhin nicht in Sicht. Die Inflationsrate in Bayern lag Ende Juni bei fast acht Prozent, wobei die Haushaltsenergie mit knapp 40 Prozent Steigerung der Haupttreiber war. Aber auch die Erzeugerpreise in Deutschland klettern mit beängstigender Geschwindigkeit: Ende Juni lagen sie um 32,7 Prozent über denen des Vorjahres. In der Konjunkturumfrage meldeten 9 von 10 Befragten gestiegene Beschaffungskosten. Diese durch höhere Verkaufspreise zumindest teilweise auf die Kunden umzulegen, gelang weniger als 60 Prozent der oberbayerischen Betriebe. Die hohen Preissteigerungen wirkten sich im 2. Quartal auch stark auf die nominale Umsatzentwicklung im oberbayerischen Handwerk aus. Insgesamt 82 Prozent der Betriebe berichteten von gestiegenen oder konstanten Umsätzen – das sind 2 Punkte mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. Nach ersten Schätzungen wurden im 1. Halbjahr 22,5 Milliarden Euro umgesetzt, das ist im Vorjahresvergleich ein nominales Plus von 13 Prozent. Abzüglich der Preisentwicklung dürfte das reale Umsatzplus in den ersten 6 Monaten des Jahres bei 3,3 Prozent liegen.

Von April bis Juni gab es wenig Bewegung auf dem Arbeitsmarkt im oberbayerischen Handwerk. Nach einem leichten Rückgang im 1. Quartal blieben größere Nachholeffekte im Berichtszeitraum erneut aus. In der Umfrage meldeten 11 Prozent der Betriebe einen Beschäftigungsaufbau, während 74 Prozent ihre Belegschaft halten konnten. Gegenüber dem Vorjahresquartal ist dies ein Rückgang um insgesamt 4 Punkte. Nach ersten Schätzungen waren im oberbayerischen Handwerk Ende Juni etwa 308.800 Personen tätig. Im Vorjahresvergleich legte die Beschäftigung damit leicht um 0,3 Prozent zu. Die Zahl der Handwerksbetriebe im Kammerbezirk lag Ende Juni bei gut 79.300 – 0,9 Prozent weniger als vor einem Jahr. Die Bereitschaft der Betriebe, in Maschinen, Gebäude, Software und den Fuhrpark zu investieren, ist weiterhin überdurchschnittlich stark ausgeprägt. Der Anteil investierender Unternehmen lag mit 37 Prozent einen Punkt über dem Wert für das 2. Quartal 2021. Auch das Investitionsvolumen legte deutlich zu. Nach ersten Schätzungen wurden im Berichtszeitraum etwa 310 Millionen Euro ausgegeben. Binnen Jahresfrist ist das ein Plus von 10,7 Prozent.

Die Konjunkturaussichten für den weiteren Jahresverlauf hängen ganz maßgeblich davon ab, ob und wie viel Erdgas Russland in den kommenden Wochen und Monaten liefert. Ein Lieferstopp und eine wie auch immer geartete Rationierung der noch vorhandenen Gasmenge würden die Wirtschaft zumindest kurzzeitig hart treffen. Im Handwerk wären energieintensive Gewerke wie das Lebensmittelhandwerk, Industriezulieferer oder die Textilreiniger stark betroffen. Mit Blick auf die kommenden Monate sind die oberbayerischen Handwerksunternehmen recht pessimistisch: Lediglich 8 Prozent erwarten eine verbesserte und 71 Prozent eine gleichbleibende Geschäftslage. Vor einem Jahr hatten diese Werte noch bei 13 und 74 Punkten gelegen. Im Bauhauptgewerbe gehen nur 4 Prozent von einer Verbesserung, aber 22 Prozent von einer Verschlechterung aus. Dieser Wert ist übrigens negativer als im 2. Quartal 2020 zu Beginn der Pandemie und der niedrigste seit dem Jahr 2008. Peteranderl: „Für das Gesamtjahr erwarten wir im oberbayerischen Handwerk ein nominales Umsatzplus von 10 Prozent. Wie viel Umsatzwachstum angesichts der steigenden Preise unter dem Strich übrigbleibt, ist noch nicht absehbar. Bei den Beschäftigtenzahlen rechnen wir mit keiner Veränderung, die Investitionen dürften um 8-9 Prozent steigen.“

Breite Mehrheit im Handwerk gegen Einführung einer City-Maut

In der Debatte um die Verkehrsbelastung in München und wie man diese reduzieren kann, taucht auch immer wieder die „City-Maut“ auf. Nach Expertenschätzung sollte sie etwa 6 bis 10 Euro pro Fahrzeug und Tag betragen und für Fahrten in, aus und nach München fällig werden. Befürworter argumentieren, dass mit den gewonnenen Einnahmen zum einen der ÖPNV verbessert werden kann und zum anderen das Verkehrsaufkommen verringert und so Stau- und Fahrtzeiten reduziert werden sollen. Da das Handwerk von der Einführung einer City-Maut besonders stark betroffen wäre, hat die Kammer hierzu eine Online-Befragung unter Mitgliedsbetrieben aus München und den umliegenden Landkreisen durchgeführt. 90 Prozent der teilnehmenden Unternehmen nutzen im betrieblichen Alltag Kraftfahrzeuge, um in München zu liefern und zu leisten. Zwei Drittel der Beschäftigten der Betriebe sind für den Arbeitsweg auf private Fahrzeuge angewiesen. Daher war das Votum der befragten Betriebe auch sehr deutlich: 80 Prozent lehnen die Einführung einer City-Maut ab, 13 Prozent befürworten sie. „Neben dem reinen Kostenaspekt fehlt den Handwerkerinnen und Handwerkern auch das Vertrauen, dass sich die Verkehrssituation in München wirklich verbessern würde“, erklärt der Kammerpräsident. Von den betroffenen Betrieben können rund 50 Prozent die Kosten nicht auf die Kundschaft umlegen, während die andere Hälfte vermutet, dass es ganz oder zumindest teilweise möglich wäre. 84 Prozent erwarten als Auswirkung steigende Kosten und 37 Prozent Schwierigkeiten bei der Mitarbeiterfindung. 28 Prozent rechnen mit kürzeren Fahrzeiten und weniger Staus, 15 Prozent erwarten einen besseren ÖPNV. Interessant in diesem Zusammenhang: 41 Prozent der Betriebe haben angekündigt, bei der Einführung einer City-Maut nicht mehr im Stadtgebiet München tätig zu werden.

„Knapp einen Monat vor dem Start des neuen Ausbildungsjahres gibt es im oberbayerischen Handwerk noch offene Lehrstellen quer durch alle Gewerke“, berichtet Hauptgeschäftsführer Dr. Frank Hüpers. Bis Ende Juli wurden im Kammerbezirk rund 4.500 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Minus von 1,7 Prozent. Um für die Berufsausbildung im Handwerk zu werben, organisiert die Kammer noch bis zum 12. September die „Praktikumswoche“. Jugendliche ab 15 Jahren können dabei im Großraum München unter dem Motto „5 Berufe in 5 Tagen“ in verschiedene Handwerksberufe reinschnuppern. Dafür wählen sie ihre favorisierten Berufsfelder auf der Vermittlungsplattform www.praktikumswoche.de/muenchen und nennen die Tage, an denen sie in den Sommerferien Zeit für ein Praktikum haben. Interessierte Unternehmen aus dem Handwerk registrieren sich unter www.praktikumswoche.de/muenchen/unternehmen. Dort legen sie fest, wann und wie viele Praktikumsplätze sie anbieten möchten. Aktuell stehen rund 3.000 Praktikumstage in verschiedenen Berufen zur Auswahl. Die Vermittlungsplattform schlägt dann automatisch passende junge Leute für die Stellen vor. Die Vorschläge sind unverbindlich. Ob die Unternehmen die Bewerberinnen und Bewerber kennenlernen möchten, entscheiden sie selbst. Hüpers: „Die Praktikumswoche bietet unseren Mitgliedsbetrieben eine weitere Möglichkeit, potenzielle Auszubildende kennenzulernen. Der Organisationsaufwand wird ihnen von der Plattform abgenommen. Die Teilnahme ist kostenfrei, unkompliziert und flexibel. Mehrtägige Praktika sind ebenso möglich wie der nahtlose Übergang in ein Ausbildungsverhältnis.“

Beitrag von Alexander Tauscher zur Handwerkskonjunktur:

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