Peteranderl: "Preissteigerung, Energiekosten und Pandemie haben die wirtschaftliche Erholung Ende 2021 ausgebremst"Handwerkskonjunktur schwächt sich ab
27. Januar 2022
Die Konjunktur im oberbayerischen Handwerk hat sich zum Jahresende 2021 abgeschwächt. Die Hälfte der Betriebe bewertete ihre aktuelle Geschäftslage im 4. Quartal als gut und weitere 36 Prozent als befriedigend. Obwohl sich die Lage im Vergleich zum Vorjahresquartal (49 Prozent gut und 26 Prozent befriedigend) um insgesamt 11 Punkte deutlich verbesserte, konnte sich die Handwerkskonjunktur im Berichtszeitraum nicht weiter erholen. „Die teils enormen Preissteigerungen bei Holz, Metallen oder Kunststoffen sowie die massiv gestiegenen Energiekosten haben viele Betriebe stark belastet. Zudem haben die anziehende Inflation und die Unsicherheit über die Entwicklung der Pandemie das Konsumklima getrübt und die wirtschaftliche Erholung zum Jahresende weitgehend ausgebremst“, berichtet Kammerpräsident Franz Xaver Peteranderl.
Während auf der einen Seite die ungebrochen große Nachfrage nach Wohnraum und Sanierungsleistungen für eine gute Konjunktur im Bau- und Ausbauhandwerk sorgt, hat die Pandemie bei Kosmetikern, Fotografen oder Orthopädietechnikern finanziell tiefe Spuren hinterlassen. Die Handwerke für den gewerblichen Bedarf – das sind unter anderem die Industriezulieferer – konnten sich im 4. Quartal 2021 etwas konsolidieren, während Lieferausfälle infolge der Halbleiterkrise das Kfz-Handwerk vor Probleme stellten. Die Auftragslage hat sich im Berichtszeitraum durchaus vorteilhaft entwickelt. Insgesamt meldeten 19 Prozent der Betriebe gestiegene und 53 Prozent konstante Auftragseingänge. Ein Plus von insgesamt 14 Punkten gegenüber dem Vorjahr spricht für eine intakte konjunkturelle Lage. Die Nachfrage nach Bauleistungen beschert dem Bau- und Ausbauhandwerk weiterhin volle Auftragsbücher. Deutlich zufriedener als noch vor einem Jahr zeigten sich das Kfz-Handwerk (+32 Punkte) und die gewerblichen Zulieferer (+30 Punkte). Keine Erholung gab es dagegen bei den verbrauchernahen Dienstleistern. Dort meldeten 62 Prozent sogar eine sinkende Nachfrage.
Im Hochbau klagten 31 Prozent der Unternehmen über Lieferprobleme – im Sommer war es noch mehr als jede zweite Firma. Für die Industrie und die handwerklichen Zulieferbetriebe hat sich die Lage zum Jahresende sogar nochmal verschärft: Laut ifo-Institut meldeten fast 82 Prozent der Unternehmen Probleme bei der Beschaffung von Rohstoffen und Vorprodukten. Die Lieferengpässe sind auch ein Grund für das Plus bei der Auftragsreichweite: Wegen fehlender Materialien können manche Betriebe die Nachfrage nicht in dem Tempo bedienen, wie es bei intakten Lieferketten möglich wäre. Hinzu kommt, dass im Bau und Ausbau bereits vielfach an der Kapazitätsgrenze gearbeitet wird. Die Auslastung in diesen beiden Handwerksgruppen liegt bei 83 bzw. 85 Prozent. Die Auftragsreichweite im oberbayerischen Handwerk stieg im Berichtszeitraum im Vergleich zum Vorjahr um 0,9 auf 8,9 Wochen. Das ist ein neuer Rekordwert in einem 4. Quartal. Bis auf die Handwerke für den privaten Bedarf erhöhte sich der durchschnittliche Auftragsbestand in allen Handwerksgruppen. Die Kapazitätsauslastung der Handwerksbetriebe im Kammerbezirk lag im Berichtszeitraum bei 79 Prozent. Das sind 4 Punkte mehr als vor Jahresfrist. 21 Prozent der befragten Betriebe meldeten für das 4. Quartal 2021 gestiegene und 53 Prozent konstante Umsätze. Die Vorjahreswerte wurden zwar um insgesamt 8 Punkte übertroffen, zum Vorkrisenniveau fehlten aber immer noch 10 Punkte. Nach Schätzungen der Handwerkskammer wurden zwischen Oktober und Dezember rund 13,8 Milliarden Euro umgesetzt. Im Vorjahresvergleich entspricht dies einem leichten Rückgang von 0,2 Prozent. Für das Gesamtjahr wird ein Umsatzvolumen von ca. 45 Milliarden Euro erwartet. Nominal ist dies zwar ein Plus von 3,2 Prozent, nach Abzug der happigen Preissteigerung verbleibt jedoch ein reales Minus von gut einem Prozent.
Rund 309.000 Beschäftigte im Jahresdurchschnitt
Die Preisentwicklung hat Ende 2021 noch einmal Fahrt aufgenommen. Drei Viertel der Befragten gaben für das 4. Quartal gestiegene Einkaufspreise an. Diese weiterzugeben gelang etwa 40 Prozent der Firmen. 57 Prozent der Handwerksbetriebe gehen davon aus, zu Jahresbeginn höhere Preise durchsetzen zu können. Das sind 22 Punkte mehr als vor einem Jahr. Die Beschäftigungsentwicklung im oberbayerischen Handwerk verlief in 2021 weitgehend enttäuschend. Laut Zahlen des Landesamts für Statistik konnten nur das Bauhaupt- und das Ausbaugewerbe zulegen. Alle anderen Bereiche verzeichneten einen Beschäftigungsrückgang. Auch im 4. Quartal deutete nichts auf eine Trendwende hin. In der Konjunkturumfrage meldeten 8 Prozent der Befragten eine Vergrößerung ihrer Belegschaft, während 18 Prozent mit weniger Personal auskommen mussten. Im Jahresdurchschnitt waren 309.200 Personen im oberbayerischen Handwerk tätig. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Rückgang von knapp einem Prozent oder ca. 3.000 Arbeitsplätzen.
Die Investitionstätigkeit im 4. Quartal blieb in absoluten Zahlen leicht hinter dem Vorjahresniveau zurück. Zwar stieg der Anteil investierender Betriebe um 2 Punkte auf 41 Prozent. Nach Schätzungen wurden zwischen Oktober und Dezember etwa 360 Millionen Euro für neue Fahrzeuge, Software, Gebäude und Ausrüstungen ausgegeben. Das wäre – aufgrund von Vorzieheffekten durch die zeitlich begrenzte Mehrwertsteuersenkung Ende 2020 – ein Minus von 2,7 Prozent binnen Jahresfrist. Im Gesamtjahr lag die Summe der Investitionen bei 1,2 Milliarden Euro und damit um 7,2 Prozent über dem Vorjahreswert. Trotz des insgesamt starken Wachstums konnte der Vor-Pandemiewert noch nicht wieder erreicht werden. 2020 waren die Investitionen um mehr als 9 Prozent eingebrochen. Zum Jahresende verzeichnete die Handwerkskammer 79.965 Mitgliedsbetriebe. Das sind 0,4 Prozent mehr als vor einem Jahr.
Beim Ausblick auf das 1. Quartal 2022 sind die Betriebe eher pessimistisch. Nur 7 Prozent erwarten eine Verbesserung und 19 Prozent eine Verschlechterung ihrer Geschäftslage. Vor einem Jahr war die Stimmung aber noch deutlich negativer (6 Prozent erwarteten bessere, 32 Prozent schlechtere Geschäfte). Außerdem muss berücksichtigt werden, dass der Ausblick auf die Wintermonate im Handwerk traditionell verhalten ausfällt. Besorgt zeigen sich für die Zeit bis Ende März vor allem die verbrauchernahen Dienstleister und die Lebensmittelhandwerke. Die Materialengpässe werden das Handwerk und andere Wirtschaftsbereiche vermutlich noch das ganze Jahr begleiten. Auch die hohe Inflation und der enorme Anstieg der Erzeugerpreise könnten den Konsum bremsen – zum Nachteil für weite Teile des Handwerks. Für das oberbayerische Handwerk prognostiziert die Kammer 2022 ein nominales Umsatzwachstum von gut 4 Prozent. Die Beschäftigung dürfte um bis zu 1 Prozent zulegen.
Betriebe müssen für ihre Kunden auch mit dem Auto erreichbar sein
Mit Blick auf die Gebührenerhöhungen für Handwerkerparkausweise und gewerbliche Anlieger kritisiert Peteranderl den ideologisch geprägten Politikstil der Rathauskoalition in München: „Wir wehren uns gleichermaßen gegen dirigistische Vorgaben, Vorschriften, Ge- und Verbote. Wir möchten mit am Tisch sitzen. In diesem Fall sind wir aber trotz vorheriger Zusagen vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Die massiven Gebührenerhöhungen sind unverantwortlich, wirtschaftsfeindlich und ein weiterer Grund für Handwerksunternehmen aus dem Münchner Umland, die Stadt künftig zu meiden.“ Selbst wenn es möglich sei, höhere Gebühren an die Kunden weiterzugeben, stelle sich für Unternehmen die betriebswirtschaftliche Frage, ob sie nicht in der Zeit, die sie für einen Auftrag in München veranschlagen müssen, lieber zwei Kunden im Umland bedienen – ohne Staus und Ärger bei der Parkplatzsuche. Der Kammerpräsident erneuert die Forderung, das Anwohnerparken im öffentlichen Raum deutlich zu verteuern: „Dafür muss der Freistaat jetzt die rechtlichen Voraussetzungen schaffen.“ Neue Parkhäuser sollten für die gängigen Handwerkerfahrzeuge mitgeplant werden. Verstärkt Liefer- und Ladezonen auszuweisen, sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, reiche aber nicht aus, um das Parkplatzproblem in der Landeshauptstadt zu lösen und Staus zu reduzieren: „Unsere Handwerksbetriebe müssen auch für ihre Kunden erreichbar sein. Und das geht nicht immer zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV.“
Hauptgeschäftsführer Dr. Frank Hüpers berichtet, dass im vergangenen Jahr 9.517 Lehrverträge im Münchner und oberbayerischen Handwerk neu erfasst wurden. Mit 7.824 Verträgen stellten Jugendliche, die in Deutschland geboren wurden oder die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, auch 2021 den Großteil der neuen Auszubildenden. Im Vergleich zum Vorjahr liegt das Handwerk gut 100 Verträge zurück. Gegenüber 2019, dem Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie in Deutschland, fehlen rund 1.000 Abschlüsse. Hüpers: „Dieser Rückgang trifft unseren Wirtschaftsbereich hart, da in erster Linie über die Ausbildung neue Facharbeiterinnen und Facharbeiter gewonnen werden. Unsere Betriebe brauchen qualifizierte Handwerkerinnen und Handwerker, keine ungelernten Helfer.“
Bis 2019 haben Menschen mit Fluchthintergrund den Rückgang bei den Lehrlingszahlen abfedern können. Damals verzeichnete die Handwerkskammer 900 Lehrverträge mit Menschen, die aus Afghanistan, Syrien oder Irak stammen. Das waren seinerzeit 8,5 Prozent aller neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im oberbayerischen Handwerk. Seit 2019 sinkt die Zahl der Lehrverträge, die mit Geflüchteten geschlossen werden, jedoch wieder. 2021 lag sie bei 543. Neben dem generellen Rückgang der Asylanträge in Deutschland dürfte dabei auch Corona eine wesentliche Rolle gespielt haben, da beispielsweise die Akquisiteure der Handwerkskammer weniger Berufsintegrationsklassen besuchen und dort für eine Handwerkslehre werben konnten. Laut Zahlen der Kammer haben dagegen in einzelnen Bereichen, wie z.B. dem Lebensmittelhandwerk, die Neuabschlüsse mit Jugendlichen aus Ländern wie Kosovo, Georgien und Albanien zugenommen. „Noch sind die absoluten Zahlen zu klein, um von einem Trend zu sprechen. Wir vermuten aber, dass sich unsere Betriebe künftig verstärkt in anderen Herkunftsländern um Auszubildende bemühen werden – auch außerhalb der EU. Das gilt übrigens nicht nur für Lehrlinge, sondern auch für Beschäftigte, um sie zu Fachkräften zu qualifizieren“, betont der Hauptgeschäftsführer.
Beitrag von Alexander Tauscher zur Handwerkskonjunktur:
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